von Engelbert Robens
(aus: „Die Geschichte der Gemeinde Morschenich“, herausgegeben aus Anlass des 50jährigen Jubiläums der Fahnenweihe der St. Lambertus-Schützenbruderschaft Morschenich)
Das Dürener Land ist reich an alten Bruderschaften. Die wenigsten denken dabei an die ernste Aufgabe, die im ausgehenden Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit die Bruderschaften zu erfüllen hatten. Bittere Not und Sorge trieb die Bewohner zum Zusammenschluss, zur Gründung von Bruderschaften. Diese Einrichtungen dienten sozusagen der Selbsthilfe. Die kleinen Heere der Landesfürsten, größtenteils Söldnerheere, konnten den Untertanen nicht den genügenden Schutz angedeihen lassen.
Gerade das ausgehende Mittelalter mit dem Zerfall des Rittertums brachte unruhige Zeiten. Plünderungen durch Raubritter, Belästigungen der Kaufleute auf den unsicheren Straßen sowie das Fehdeunwesen der adeligen Herren brachten die Städte und Dörfer in äußerste Not und Bedrängnis. Dabei waren die Dörfer diesen Verheerungen mehr ausgesetzt als die Städte, die sich mit Mauern und Gräben umgeben konnten und somit dem Sturm der Feinde standhielten. Diese Tatsache hatte nun zur Folge, dass sich die Ortschaften und Dörfer zusammenschlossen zu gemeinsamer Abwehr und Hilfe. Die Bruderschaften waren alte Bürgerwehren. Zunächst mussten alle Bürger die Wehrverpflichtung auf sich nehmen, bis sich dann eine Anzahl tüchtiger Männer zu einer Gilde oder Bruderschaft zusammenschloss und sich auch im Umgang mit Waffen übte. Seit Anfang des 14. Jahrhunderts machte sich diese Entwicklung überall bemerkbar.
Da sich die Menschen im Mittelalter durch tiefe Frömmigkeit besonders auszeichneten, so ist es verständlich, dass die Bruderschaften starken religiösen und kirchlichen Charakter trugen. Diese wählten dann einen besonderen Heiligen zu ihrem Schutzpatron. Neben dem Dienst am Menschen trat auch der Dienst in der Kirche und für die Kirche. So kann man von Bruderschaftsaltären, Bruderschaftsandachten und feierlichen Gottesdiensten am Feste des Schutzpatrons lesen. Der tiefreligiöse Sinn und die religiöse Betätigung ist auch oft Veranlassung für die Gründung der Bruderschaften gewesen.
Welche Ursache zur Gründung der Morschenicher Bruderschaft geführt hat, ist heute schwierig zu sagen. Vielleicht haben mehrere Gründe: Schutz des Dorfes und der Kirche oder die gläubige Haltung der damaligen Bewohner zur Gründung geführt. Die Bruderschaften sind jedenfalls sehr alt und die Morschenicher St. Lambertus Bruderschaft konnte 1958 ihr 500jähriges Bestehen feiern.
Ob die Bruderschaft seit 1458 kontinuierlich bestanden hat, ist natürlich nicht mehr zu sagen. Jedoch wird sie im Laufe der folgenden Jahrhunderte in Urkunden mehrmals erwähnt. So wird sie zum Beispiel genannt in den Visitationsprotokollen vom 10. Juni 1550: „Die broderschaft wird gehalten wie van alders."
Eine andere Notiz aus dem Jahre 1673 lautet: „Item der morgen der broderschaft s. Lamberti gehoeret."
In den Hofkammerakten des Gerichtes Hambach heißt es 1768: „Die nachbahren zu Muschenich von einem büsch beneben der broderschaft s. Lamberti zweyn jährlichs liefern 10 hühner in natura oder dafür 66 albus."
Eines steht aber fest, dass die Schützenbrüder ihr Bruderschaftsideal immer hochhielten und treu zur Kirche und zum Vaterland standen. Die beiden Weltkriege haben sehr in das Bruderschaftsleben eingegriffen. Viele Mitglieder mussten den Schützenrock mit dem Soldatenrock vertauschen, und manche kehrten nicht mehr ins heimatliche Dorf zurück. So ruhte die Bruderschaft zunächst nach dem 1. Weltkrieg bis zum Jahre 1925. In diesem Jahr wurde sie wieder neu ins Leben gerufen und eine neue Fahne angeschafft. Einige Neubegründer leben noch und werden beim 50jährigen Fahnenfest für ihre Treue besonders geehrt.
Während des 2. Weltkrieges ruhte das Bruderschaftsleben ebenfalls. Durch die Evakuierung des Dorfes gingen der Bruderschaft das Königssilber sowie sämtliche Unterlagen verloren. Die Fahne allein wurde gerettet. Aber auch etwas anderes hatte der grausame Krieg nicht rauben können, nämlich den festen Willen, wieder aufzubauen. Im Jahre 1946 wurde durch die Initiative von Pfarrer Hubert Frembgens die St. Lambertus-Bruderschaft wieder ins Leben gerufen.
Seit 1965 hat die Bruderschaft eine Jungschützenabteilung mit einer eigenen Fahne. Diese Abteilung hat in den letzten Jahren einen sehr großen Zuspruch gefunden und weist heute eine hohe Mitgliederzahl auf. Seit zwei Jahren sind zum ersten Mal in der Geschichte der Bruderschaft Mädchen aufgenommen worden. Nach den neuen Statuten der Bruderschaft ist die Mitgliedschaft der Frauen endgültig geregelt. Diese Entwicklung zeichnet sich in den Bruderschaften insgesamt ab.
Möge der gute Bruderschaftsgeist noch recht lange bei den Morschenicher Schützen walten. Sollte aber einmal der Geist erlahmen, dann möge die alte Tradition, der Gedanke an die treue Pflichterfüllung unserer Vorfahren und die Besinnung auf die Ideale der Bruderschaft: „Für Glaube, Heimat und Sitte" uns Kraft und Mut für die Zukunft geben.
Das Leben der Schützenfamilie ruhte zum zweiten Mal in der Geschichte zur Zeit der Corona Pandemie. Von Montag, dem 23. März 2020 an, trat der Lockdown in NRW per Rechtsverordnung in Kraft. Demnach wurden Zusammenkünfte und Ansammlungen in der Öffentlichkeit von mehr als 2 Personen untersagt. Erst im Januar 2022 durften wieder größere Veranstaltungen stattfinden. Zum Schützenfest im Jahre 2020 und 2021 wurde eine Feldmesse auf dem Rasen-Parkplatz des Bürgewaldzentrums mit Abstand unter freiem Himmel und anschließender Kranzniederlegung erlaubt. Die Majestäten erklärten sich während dieser Zeit bereit, die ihre Ämter bis auf weiteres auzuüben und trugen so 3 Jahre lang das Königssilber.
Literaturangabe (zu den vorangegangenen Beiträgen von Engelbert Robens)
Redlich, Otto: Jülich-Bergische Kirchenpolitik, II. Band.
Kaspers, Wilhelm: Ortsnamen der Dürener Gegend in ihrer Siedlungsgeschichtlichen Bedeutung.
Kaspers, Heinrich: Comitatus nemoris. Die Waldgrafschaft zwischen Maas und Rhein.
Meyer, Anton: Die Flurnamen der Gemarkungen Merzenlch, Girbelsrath und Golzheim.
Timmermann, Pfr.: Beiträge zur Geschichte des Klosters und Ortes Ellen.
Cramer, Franz: Rheinische Ortsnamen aus römischer und vorrömischer Zeit.
Künster, Karl: Der Landkreis Düren.
Steffens, Arnold: Der hl. Arnoldus von Arnoldsweiler.
Binterim und .Mooren: Die Erzdiözese Köln im Mittelalter.
Pfarrarchiv Morschenich: Taufbuch mit Heirats- und Sterberegister ab 1840.
Stadtarchiv Düren: Taufbücher ab 1682 - 1800 mit Heirats- und Sterberegister, Jesuitenannalen ab 1663.
Urkundenbuch der Stadt Düren 14. bis 16. Jahrhundert.
Heimatblätter „Beilage Dürener Zeitung“, Jahrg. 1, 1924 - 1939.
Kurtz, F.: Geologische Heimatkunde des mittleren und unteren Rurtales.
Düsseldorfer Jahrbuch, Beiträge zur Geschichte des Niederrheins.